Premierenberichte

"Freischütz" an der Komischen Oper Berlin

04.02.2012 | "Der ganze Freischütz ist vortrefflich": Dies war das Urteil des Zeitgenossen Heinrich Heine über Carl Maria von Webers Oper. Die düstere Oper hat nun an der Komischen Oper Berlin das "enfant terrible" der Regisseurszunft, Calixto Bieito inszeniert. Laut eigener Aussage ist der Spanier mit dieser Musik aufgewachsen, weil sein Vater, ein Arbeiter, die Oper liebte und oft hörte. Oft kontrovers beurteilt, regen seine Regiearbeiten immer zu Diskussionen an. In Berlin hat er den Wald in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt. "Bieitos Inszenierung wird sich auf einer Höhe mit dem poetischsten und vielschichtigsten Libretto der Operngeschichte bewegen", war in der Berliner Morgenpost vorab zu lesen. Von "Sex- und Gewalt-Stuss" allerdings schreibt die FAZ. Die SZ wiederum urteilt: "Das Ende ist konsequent-brachial dem Regietheaterberserkertum geschuldet." Offenbar weiß Bieito nach wie vor, Publikum und Presse zu spalten. Am Schluss musste er einige Buh-Rufe hinnehmen. Musikalisch ist der "Freischütz" allerdings durchaus gelungen. "Dirigent Patrick Lange allerdings und das Orchester leisteten Beachtliches." (FAZ). Und die Berliner Morgenpost findet: "Der gelächtertrunkene Chor singt hervorragend." Foto: Wolfgang SilveriWeiterlesen

"Götterdämmerung" in Frankfurt

03.02.2012 | Vera Nemirova hat in Frankfurt die Wagnersche Tetralogie mit der "Götterdämmerung" vollendet. Das Besondere an ihrer Inszenierung: Vom "Rheingold" bis zum letzten Teil verwendet sie ein durchgehendes Bühnenbild: eine schräge Scheibe, offen genug für den gesamten Zyklus. Und: Es sind alles Menschen, die hier agieren, keine Götter. Der offene Schluss bringt alle Figuren des "Rings" noch einmal auf die Bühne und scheint das Publikum aufzufordern, das Werk weiter oder neu zu spielen. Kein Buh-Ruf am Ende, stattdessen viel Applaus. In der Presse wurde die Frankfurter "Götterdämmerung" begeister gefeiert. Im Hessischen Rundfunk war von "berückenden, gut gedeuteten Bildern" die Rede, von einem "großartigen Chor", insbesondere in der Chorszene der Gibichungen, und von einer "auf hohem und höchstem Niveau eine maßstabsetzenden Aufführung", an der sich auch die Bayreuther Inszenierung im Wagner-Jubiläumsjahr 2013 zu messen habe. Und die Frankfurter Rundschau schreibt: "Ein Ring, der sängerisch seinesgleichen sucht". Foto: Monika RittershausWeiterlesen

"Castor und Pollux" in Düsseldorf

01.02.2012 | Das ist neu: Der Düsseldorfer Ballettchef Martin Schläpfer wagt sich an das Sujet Oper. An seinem Haus inszenierte er Jean-Philippe Rameaus Oper "Castor und Pollux" - mit zahlreichen Balletteinlagen. Die Premiere bildete den Abschluss einer Rameau-Reihe an der Deutschen Oper am Rhein. Castor und Pollux sind Zwillinge und stammen doch von unterschiedlichen Vätern ab: was den einen zum normalen Sterblichen, den anderen -als Sohn Jupiters - zum Halbgott macht. Das ändert nichts an der unverbrüchlichen Bruderliebe, der auch die Liebe zu ein und derselben Frau und sogar der Tod keinen Abbruch tut. Am Ende eines dramatischen Geschehens wird ihre Stärke belohnt, beide finden - als Sterne am Himmel - bis heute ihren Platz in der Unsterblichkeit. "Schläpfer ist nicht über Nacht zum Opernregisseur geworden, der singende Menschen und ihre Emotionen bewegt", urteilt die Rheinische Post. Über die musikalische Leistung gibt es allerdings mehrheitlich positive Resonanz. "Der Opernchor und das Spezialensemble für historische Aufführungspraxis, die Neue Düsseldorfer Hofmusik, bieten dem Schmerz immer wieder weiten Raum", war im Deutschlandfunk zu hören. Und die Westdeutsche Zeitung schreibt: "Musikalischer Glanz, rhythmische Kraft und feine Soli kommen aus dem Orchestergraben, wo GMD Axel Kober die Neue Düsseldorfer Hofmusik leitet." Foto: Gert WeigeltWeiterlesen

"La Bohème" in Trier

31.01.2012 | "Wir versuchen, nicht, in die klassischen Puccini-Klischees hineinzufallen. In meinen Augen zum Beispiel eine falsche Betroffenheit…" Dies war die Auskunft von Regisseur Benedikt Borrmann vor der Premiere der "La Bohème" in Trier. Er sollte recht behalten. Weder stilisiertes Künstler-Ambiente noch verkitschtes "Idyll der Armen" brachte Borrmann auf die Bühne. Und präsentierte damit eine Inszenierung, die - obwohl in der Originalzeit spielend - doch als modern zu bezeichnen ist. Die Geschichte um die erfolglosen Künstler im Paris der Jahrhundertwende und um die Liebe zwischen der todkranken Mimi und ihrem Nachbarn Rodolfo zeigt hier tatsächlich das Elend, das Armut und Krankheit mit sich bringen. "Eine handwerklich blitzsauber gearbeitete Oper, eine sehens- und hörenswerte Besetzung: Puccinis ‚La Bohème‘ im Trierer Theater ist eine rundherum gelungene Produktion", schreibt der Trierische Volksfreund und unterstreicht die herausragende Qualität des Chores: "Opernchor, Extrachor und der Kinderchor des Konzertchors meistern vorzüglich den Spagat zwischen präzisen gesanglichen Einsätzen und den hohen Anforderungen der Bewegungsregie." Foto: Marco PiecuchWeiterlesen

"Tancredi" an der Deutschen Oper Berlin

26.01.2012 | 21 Jahre jung war Gioachino Rossini, als er seine erste große "opera seria" vollendete, die tragische Liebesgeschichte nach einer Vorlage von Voltaire. Es geht um die junge Amenaide, deren geheimer Liebesbrief an Tancredi, den Mann ihrer Träume, in falsche Hände gerät. Die Folge sind Missverständnisse und Vertrauensverlust, am Ende steht der Tod des Geliebten ebenso wie der des Zwangsverlobten Orbazzano. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte "Tancredi" zu den populärsten Opern Rossinis. Dann geriet sie in Vergessenheit und kam erst in den 1970er-Jahren langsam wieder ans (Bühnen-)licht. Nun wurde sie an der Deutschen Oper Berlin gespielt. Kritische Worte gab es in der Presse für die Inszenierung von Pier Luigi Pizzi. Die "Berliner Morgenpost" hat - bei aller Kritik gegenüber Inszenierung und Ausstattung - lobende Worte für allem für den Dirigenten Alberto Zedda: "Keiner hätte wie er diesen Rossini aufführen können: so delikat, verständnisvoll, voller Einsicht und Liebe." Und: "Man erlebte eine jugendfrisch gebliebene alte Oper, jugendfrisch dirigiert." Auch im rbb wird der musikalische Leiter gewürdigt, darüber hinaus steht der Chor der Deutschen Oper im Fokus. Dort heißt es: "Interessant, dass der Spielplan der Deutschen Oper inzwischen teilweise um den Chor herum gebaut wird. Das lohnt sich. Die syrakusischen Mannen unter William Spaulding geben eine kultiviert aufbegehrende Volksmenge." Und auch auf nmz online wird (neben Kritik an der "Nicht-Inszenierung") die musikalische Leistung gewürdigt: "Musikalisch leisten das Orchester und der von William Spaulding einstudierte Herrenchor der Deutschen Oper Berlin unter Altmeister Alberto Zedda Beachtliches." Das Publikum wusste das zu würdigen und applaudierte herzlich. Foto: Bettina StößWeiterlesen

"Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" an der Staatsoper Berlin

24.01.2012 | Schönheit (bellezza), Vergnügen (piacere), Zeit (tempo) und Enttäuschung (disinganno) treffen sich (in der Inszenierung von Jürgen Flimm in einem Restaurant), um miteinander in einen Wettstreit zu treten. Das Vergnügen möchte die Schönheit auf seine Seite ziehen, Zeit und Ent-Täuschung versuchen das gleiche. Schließlich triumphieren tempo und disinganno. Das ist die Geschichte, die Georg Friedrich Händel 1707 in seinem ersten Oratorium thematisierte. Kein üblicher Opernstoff - für Jürgen Flimm - obwohl erfahren genug - sicher eine neue Herausforderung, der er sich 2003 gemeinsam mit dem Dirigenten Marc Minkowski in Zürich stellte. Nun war die Inszenierung erneut an der Staatsoper im Schillertheater zu erleben: ein eher seltenes Vergnügen, denn gewöhnlich werden eher Händels spätere Oratorien aufgeführt. Die Presse ist sich einig: Inszenierung wie musikalische Leistung sind zu loben. "Hier kommt alles zusammen: Musik, Bildhaftigkeit, Orchestersprache, Bühnenaufriss, Gesang und Regie, um aus Händels Oratorium ein durch und durch fesselndes Bühnenerlebnis zu machen. Jürgen Flimms Regie wird am Schiller Theater mit Recht bejubelt", schreibt die Berliner Morgenpost. "Neben dieser besten Opern-Arbeit von Jürgen Flimm in 20 Jahren ist der Dirigent Marc Minkowski zweiter Hauptgrund, sich die Produktion anzusehen", war gar auf RBB Kulturradio zu hören. Und selbst die BILD-Zeitung urteilt: "Ein herrlicher Opernabend". Foto: Hermann und Clärchen BausWeiterlesen

"Peter Grimes" in Nordhausen

22.01.2012 | Ein anspruchsvolles Musiktheaterprojekt, eine große Chor-Oper: "Peter Grimes" wurde in Nordhausen zuletzt vor 50 Jahren gespielt. Nun hat sich Regisseur Toni Burkhardt des Sujets angenommen: "Das Theater Nordhausen wagt sich an Benjamin Brittens anspruchsvolle Oper ‚Peter Grimes‘ und gewinnt", schreibt die Thüringer Allgemeine. Die Geschichte des Außenseiters Peter Grimes, dem es trotz harter Arbeit und starken Willens nicht gelingt, in der Dorfgemeinschaft des englischen Fischerstädtchens Fuß zu fassen, der schließlich dem Wahnsinn verfällt, ist ein imposantes Werk. Expressiv und ausdrucksstark, stellt die Oper das bedrohliche, düstere und unberechenbare Meer der englischen Ostküste in den Mittelpunkt des musikalischen Erlebnisses. "Zu den Erlebnissen meiner Kindheit gehörten die wilden Stürme, die oftmals Schiffe an unsere Küste warfen und ganze Strecken der benachbarten Klippen wegrissen", schrieb der Komponist selbst anlässlich der Entstehung seiner Oper, die 1945 uraufgeführt wurde und seither fester Bestandteil der Opernspielpläne ist. Für das Theater Nordhausen stellte dieses umfangreiche Projekt ein Wagnis dar, das geglückt ist. Nochmal die Thüringer Allgemeine über die Leistung der Kollektive und den musikalischen Leiter, Markus L. Frank: "Der Mann auf der Dirigentenbrücke führte das Loh-Orchester auf korrektem Kurs durch die pikante Partitur. Der durch Studenten der Weimarer Musikhochschule erweiterte Opernchor (Einstudierung: Elena Pierini) verstärkte den packenden und alle Solisten stützenden Sound." Das Foto zeigt Sabine Mucke als Ellen Orford und Mitglieder des Ensembles.Weiterlesen

"Großstadt-Triptychon"

19.01.2012 | Stefan Wolpe, Kurt Weill, Edmund Nick: Das sind die Komponisten des ehrgeizigen Bühnenprojekts, das das Musiktheater im Revier jetzt realisierte. Alle drei Einakter handeln in und von der Großstadt, ihre Entstehungszeit fällt in die zweite Hälfte der 1920er-Jahre, die als "golden" galten, bevor sie sich in der Weltwirtschaftskrise verloren und schließlich abrupt und bitter in die Herrschaftszeit der Nationalsozialisten übergingen. Während Wolpes Werk vom alternden Zeus handelt, der sich in Berlin auf die Suche nach der Königstochter Europa begibt, versetzen Weill und sein Partner Bert Brecht ihre Handlung in die Stadt Mahagonny, wo alle Ideale der Zügellosigkeit und Habsucht gewichen sind. Edmund Nick schließlich stellt gemeinsam mit Erich Kästner den großstädtischen Durchschnittsmenschen namens Schmidt in den Mittelpunkt seines Werks. Dieses "Großstadttriptychon" hat die Choreografin (und zukünftige Ballettdirektorin am Haus) Bridget Breiner in Gelsenkirchen zu einem Bühnenerlebnis gemacht, welches Oper und Tanz miteinander verbindet. So werden die Chorsänger zum Beispiel auch choreografisch eingesetzt - und bewältigen diese Aufgabe mit großem Geschick. Für Breiner war dies "eine immense Aufgabe, die sie ideenreich löste und perfekt bewältigte", so die Ruhr-Zeitung, die darüber hinaus von einem "sicher agierenden Solisten- und Chor-Team" und "stilsicher spielenden Musikern" unter der Leitung von Clemens Jüngling zu berichten weiß, "der die Zügel des oft turbulenten Geschehens sehr souverän und temperamentvoll im Griff hat". Begeisterter Beifall des Gelsenkirchener Publikums!Weiterlesen

"Simplicius Simplicissimus" in Osnabrück

18.01.2012 | Den berühmten Abenteuer- oder auch Schelmenroman von Jakob von Grimmelshausen, erschienen 1686, hat Karl Amadeus Hartmann ein Jahr nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten vertont. Der Komponist selbst zog sich während des "Dritten Reichs" in die innere Emigration zurück, seine Oper wurde erst 1949 uraufgeführt. Die abenteuerlichen Erlebnisse des einfältigen "Simplicius" verlegt Regisseur Jochen Biganzoli in ein Klassenzimmer. Besser: in diverse Klassenzimmer aus verschiedenen Epochen. So kann er das Hartmann’sche Antikriegsbekenntnis über einen längeren Zeitstrang hinweg manifestieren. Immer geht es - wie in der Romanvorlage - um Streit, Krieg, Gewalt. Am Schluss der Osnabrücker Inszenierung steht der Tod des Titelhelden. Dessen Entwicklung "zum flammend humanistischen Idealisten" lässt sich in der Darstellung durch Marie-Christine Haase dank ihrer "emphatischen Darstellung und ihres jugendlich-kernigen Soprans" gut nachvollziehen, ist in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu lesen. Das Fazit dort lautet: "Herber Stoff, vorzüglich aufbereitet". Das Foto (Jörg Landsberg) zeigt (v.li.n.re.) Mark Hamman als Gouverneur, Marie-Christine Haase als Simplicius, Genadijus Bergorulko als Hauptmann sowie Mitglieder des Chors.Weiterlesen

"Lear" in Hamburg

16.01.2012 | Bereits 24 mal wurde Aribert Reimanns "Lear" inszeniert und aufgeführt. Für ein Musiktheater-Werk aus dem Bereich der Neuen Musik ist das schon eine kleine Sensation. Bei der Hamburger Premiere, inszeniert von Karoline Gruber, war der Komponist selbst anwesend und zeigte sich begeistert. Eine "phantastische Aufführung" attestierte er der Regisseurin ebenso wie der Dirigentin Simone Young. Vor allem aber Bo Skovhus in der Titelrolle hatte es ihm angetan. Ebenso wie dem Kritiker des Bayerischen Rundfunks: "Bo Skovhus beherrscht alles, was diese enorm anspruchsvolle Partie erfordert: große Wandlungsfähigkeit vom brachialen Wutausbruch bis hin zum Selbstmitleid und zur einfühlsamen Trauer", urteilt er. Zwar verließen etliche Zuschauer, vielleicht überfordert von den überwältigenden Klängen, in der Pause das Opernhaus. Doch zu Unrecht, meinen die Kritiker: "Wer erleben möchte, wie weit sich zeitgenössische Musik der elementaren Wucht eines Shakespeare-Dramas anverwandeln kann (…), der muss in diese Aufführung gehen", schreibt die Hamburger Abendzeitung. Das berühmte Bühnenwerk Shakespeares, das der Avantgarde-Komponist Reimann 1978 auf die Bühne des Musiktheaters brachte, kann in Hamburg eindeutig als Erfolg verbucht werden. Selbst die musikalische Leiterin, in der Regel in Hamburg eher vom Publikum geschmäht, durfte begeisterten Beifall entgegen nehmen. Das Foto (Brinkhoff/Mögenburg) zeigt Andrew Watts als Edgar.Weiterlesen

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