Das Publikum braucht Sitzfleisch an diesem Abend. Mehr als vier Stunden dauert Giacomo Meyerbeers Opernmammutwerk, das den Abschluss des Meyerbeer-Zyklus bildet, um den sich die Deutsche Oper verdient gemacht hat. Fast vergessen, erlebt der Komponist, erleben seine Opern seit einigen Jahren eine Wiederentdeckung an deutschen Theatern. In „Le Prophète“ geht es um den Aufstand der Widertäufer in Münster, es geht um religiösen Fanatismus, um die Instrumentalisierung von Religion zur Errichtung eines „Gottesstaates“. Da wundert es nicht, dass Regisseur Olivier Py, Leiter des Festivals von Avignon, das Geschehen in die Jetztzeit verlegt; die Bauern werden zu Fabrikarbeitern. Pys Inszenierung stößt auf keine große Begeisterung bei den Kritikern. Für die Sänger gibt es Lob. „Wirklich seine Hausaufgaben gemacht hat das hauseigene Orchester, bei dem für drei der Premieren, auch jetzt, Enrique Mazzola am Pult stand. Da gelingt inzwischen ein Laune machender, schlanker, sehniger, romantisch farbiger Mischklang“, schreibt die Welt. Der Chor habe „die besten Stellen“ hören wir im rbb. „Bewundernswert die sängerischen Leistungen des von Jeremy Bines einstudierten Chores“, schreibt die neue musikzeitung. Bei aller Kritik lautet die Empfehlung des rbb: „Reingehen! In einer Stadt, in der jede Wagner-Oper zwei bis drei Mal vorhanden ist, gebietet es der Anstand, auch seine vielleicht wichtigste Entstehungsbedingung – und das war Meyerbeer – gelten zu lassen und zur Kenntnis zu nehmen.“ Das Foto (Bettina Ströß) zeigt Gregory Kunde als Jean de Leyde und Mitglieder des Chores der Deutschen Oper Berlin.